Beitrag eines Azuibs der Uniklinik Augsburg

Wie wir alle wissen befinden wir uns aktuell in der vierten Welle der Corona Pandemie. Einer Pandemie die von Fehleinschätzungen, Besserwisserei und Machtgeprotze geprägt ist. Während sich anfangs massiv betroffene und geschädigte Staaten wie Brasilien oder Italien mittlerweile mit einer herausragenden Impfquote schmücken, betrachten wir hier vor der eigenen Haustüre weiterhin Inzidenzwerte von mehreren 100 Infektionen/ 100.000 Einwohnern, erfahren fast täglich von schweren Verläufen der Krankheit im persönlichen Umfeld und stehen weiter vor der Frage wie es weiter gehen soll? Wird die Pandemie für uns jemals enden? Werden wir je wieder zum scheinbaren Normalzustand vor dem März 2020 zurückkehren?

Ein erneuter Blick in andere Länder der Welt gibt Hoffnung: Die brasilianische Millionenstadt Rio de Janeiro brüstet sich mit einer stolzen Impfquote von 94 Prozent. Zwischen dem 10. und dem 13. Dezember gab es keinen einzigen gemeldeten Coronafall und die 7-Tage Inzidenz lag am vergangenen Donnerstag den 16. Dezember nur noch bei 27. Und das in einer Stadt mit fast SIEBEN Millionen Einwohnern, wovon fast ZWANZIG Prozent der Bewohner in verarmten, unsauberen Favelas auf engstem Raum leben.
Verwunderlich an diesen Zahlen ist die Tatsache, dass sich das brasilianische Staatsoberhaupt Jaiiir Bolsonaro – ein offen homophober, sexistischer Rassist – zur Thematik eher unkonstruktiv äußert und aller Welt mit seinen mittelalterlichen vigilanzgeminderten Aussagen zeigt wie er als selbsternannter Experte die Lage beurteilt. So negiert er die Covid Infektion als „kleine Grippe“, unterstellt britischen Gesundheitsbehörden die Rate an AIDS Erkrankungen würde durch die Impfung steigen und behauptet zwischenzeitlich auch der Impfstoff würde Menschen in lebende Krokodile verwandeln können.

Ein Blick nach Deutschland zeigt jedoch, dass auch wir mit einer Personengruppe zu kämpfen haben, die sich selbst als Experten auserkoren hat. Während das Pflegepersonal und der allgemeine öffentliche Dienstleistungssektor unermüdlich schuftet und sich solidarisch mit älteren Gefährten unserer Gesellschaft zeigt marschieren Woche um Woche selbsternannte Freiheitskämpfer über die Straßen unserer Großstädte. Die Einhaltung von Abstandsregeln spielt selbstredend keinerlei Rolle und das Verunstalten essentieller Mund-Nasen-Bedeckungen wird für die esoterisch geprägte Freiheitsbewegung, um den Nationalsozialisten Attila Hildmann zum neuen Volkssport. Rufe, wie „Wir sind das Volk“ oder „Merkel muss weg“, die wir unlängst von Demonstrationen der Dresdner PEgidA- oder der Kölner HoGeSa-Bewegungen kennen, hallen über die Straßen und begleiten den Mob.
Anfang diesen Jahres gesellt sich eine weitere unliebsame Gruppe zu den mittlerweile scheinbar gesellschaftlich anerkannten Coronaleugnern. Eine Gruppe die ihren Ursprung in der letzten großen Pockenepidemie von 1873 findet. Damals wurden in Hamburg und Stuttgart erstmals Impfgegner-Organisationen gegründet. Bereits vor über 150 Jahren war die Sorge, unter einer Folge der Impfung schwerer als mit der eigentlichen Krankheit zu leiden groß. Zudem gab es auch damals schon erste Debatten über die Unversehrtheit des eigenen Körpers und ob der Staat das Recht besitze jeden einzelnen zu zwingen, sich einer Impfung zu unterziehen. Im vorletzten Jahrhundert war dies noch um einiges einfacher. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Kommunikation.
Während sich heutzutage jeder, überall und zu jeder Zeit zu allem öffentlich online äußern kann, war das Nachrichtenportal im vorletzten Jahrhundert noch die Zeitung bzw. die Mundpropaganda. Dementsprechend konnten sich Hetzkampagnen und Fake-News Verbreitungen nicht durchsetzen und die erste deutsche Impfpflicht wurde 1874 vom damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck erfolgreich eingeführt.

Im Jahr 2021 spaltet das Thema um die Corona Impfung die Gesellschaft. Institutionen wie das Robert-Koch-Institut oder Führungsriegen von Ärzteteams in Unikliniken müssen sich Inkompetenz oder Verrat am Volk vorwerfen lassen. Globuli Konsumenten erheben ihre Stimme gegen anerkannte Medizinprofessoren und ein Familienvater ermordet seine komplette Familie, weil er ihre Impfpässe gefälscht hat.

Coronaleugner und Impfgegner mögen zwei verschiedene Personengruppen sein und unterschiedliche Interessen verfolgen. Jedoch gibt es bei beiden einen nicht unerheblichen gemeinsamen Nenner. Beide werden regelmäßig auf ihren Veranstaltungen von Neonazis, Faschisten oder rechtsradikalen Hooligans begleitet. Das rechte Spektrum versucht seit Beginn der Corona Pandemie sich im Lager der Ungeimpften bzw. der Verschwörungstheoretiker einzunisten. Eine Taktik, die bereits bekannt ist.
Die AFD beispielsweise versucht sich seit Beginn ihrer Legislaturperiode im Bundestag in eine Opferrolle zu schieben. Sie inszenieren sich als Opfer der links grün versifften kommunistischen Gesellschaft in Deutschland. Sie verdrehen unsicheren, teils ungebildeten Menschen mit fadenscheinigen inhaltslosen Lügengeschichten den Kopf und schüren Angst.
Angst vor der Islamisierung des Abendlandes
Angst vor dem bösen Kommunismus
Angst vor gleichgeschlechtlicher Ehe
Angst vor Klimaschutz
Angst vor Feminismus
Und letztlich eben Angst vor der Corona Impfung
Unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung des Individuums, dem Schutz der Kinder oder dem Schutz vor dem berühmt berüchtigten „Merkel-Gift“ verschleiern Faschisten ihre eigentliche Intention. Faschismus.

Hier einige Beispiele vom vorletzten Wochenende:

In Cottbus konnte eine Demonstration von Neonazi Hooligans und Kadern der Identitäten Bewegung ungestört und in martialischer Form durch die Stadt laufen

Bei einer unangemeldeten Demonstration in Gotha wurden von der Polizei Verstöße gegen das Waffengesetz festgestellt

In Augsburg konnte bei einer Veranstaltung gegen die geplante Impfpflicht in Gesundheitsberufen ein Teilnehmer als Anhänger der ultra rechten Partei „der dritte weg“ identifiziert werden

In Aschaffenburg demonstrierten 2400 Querdenker Seite an Seite mit Neonazis. Kleidungsstücke mit der Aufschrift „Solidarität mit Ursula Haverbeck“ einer bekannten Holocaustleugnerin wurden gesichtet

In Neumarkt in der Oberpfalz versammelten sich 2000 Demonstrierende. 1 Woche zuvor wurde hier ein Schild mit der Aufschrift „Holocaust 2.0“ von Verschwörungsideologen gezeigt

In Greiz in Thüringen versammelten sich rund 1000 Menschen. Die Polizei wurde mit Böllern und Glasflaschen beworfen

Wir bewegen uns auf dünnem Eis, wenn wir es weiterhin akzeptieren, dass sich Verschwörungstheoretiker und Impfgegner mit Nationalisten und Holocaustleugnern die Straße teilen.
Die brasilianische Bevölkerung macht es der Welt vor, wie man eine nationale Impfkampagne durchzieht und sich den Lügen der Verschwörungsideologie entzieht. So hat der Bundesstaat Sao Paolo ohne Absprache mit dem Staatsoberhaupt Bolsonaro gut 4.000.000
Millionen Impfdosen aus Asien importieren lassen. Und die Bevölkerung? Die hat das Impfangebot angenommen. Sich nicht auf vermeintliche Expertenaussagen eines Ultrarechten verlassen sondern gehandelt. Ihrem Gesundheitsminister und Ärzten vertraut und sich impfen lassen.

Um den in Deutschland äußerst renommierten Astrophysiker und Naturphilosophen Harald Lesch zu zitieren: „Bitte nutzt eine der größten Erfindungen der Menschheitsgeschichte und verhaltet euch nicht wie Steinzeitmenschen die von Krankheitserregern und Medizin keine Ahnung hatten“.

Drum lasst uns gemeinsam diese Bürde nehmen. Die Impfung ist unser einziger Ausweg!